„Eine Angewohnheit kann man nicht aus dem Fenster werfen. Man muss sie die Treppe hinunterlocken, Stufe für Stufe.“ nach Mark Twain
Soft Skills werden den Kindern nicht einfach so mit in die Wiege gelegt. Der Weg von der kindlichen Ich-Bezogenheit zur sozialen und eigenständigen Persönlichkeit ist weit und heisst Erziehung. Auch mit dem Erwachsenwerden ist die Persönlichkeitsentwicklung nicht abgeschlossen, auch wenn im Berufsleben Soft Skills wie Flexibilität, Teamfähigkeit, Kritikfähigkeit als selbstverständlich gegeben vorausgesetzt werden. Jetzt liegt die Verantwortung für die eigene persönliche Weiterentwicklung bei den Individuen selbst.
Viele Menschen glauben nicht daran, dass sich die Persönlichkeit gezielt weiter entwickeln lässt („entweder man kanns oder man kanns nicht“). Das ist ein Irrtum. Viele Verhaltensweisen (Fertigkeiten) lassen sich sehr wohl trainieren und mehr Wissen verbessert die angewendeten Fertigkeiten. Wesentlich sind auch die Einstellungen und Werte, die jemand in seine Handlungen einfliessen lässt („ich bin nun mal so“, „das muss ich halt so machen“). Hier können Sensibilisierung, Reflexion und Interaktion mit andern viel bewirken.
Soft Skills weiterentwickeln
Oft werden Menschen in Kurse und Seminare oder ins Coaching geschickt mit dem Ziel, dass ein Coach oder eine Lehrperson die Persönlichkeit verändern möge – die Lernenden emotional intelligenter oder kommunikativer oder konfliktfähiger zu machen. Dies ist eine unrealistische Vorstellung. Alle Menschen zeigen diejenigen Verhaltensweisen, die ihnen bisher dienlich gewesen sind. Sie haben sie im Verlaufe ihres bisherigen Lebens erlernt und können nicht einfach so schnell mal anders. Eigentlich wissen wir das alle sehr gut – wir haben es längst am eigenen Leibe erlebt, dass wir uns nicht sofort ändern können, selbst wenn wir es wollen. Im Folgenden fünf Schritte zur Veränderung:
So kann die Veränderung gelingen
1 Erkennen
Jede Veränderung beginnt mit dem Erkennen. In der (aus dem Alltagshandeln losgelösten) Selbstreflexion erkennt ein Mensch sein eigenes Muster. Dies kann im Rahmen eines Coachings oder einer Therapie oder einem Seminar gelingen. Dies kann aber auch individuell gelingen, wenn jemand selbst bemerkt, dass sein Verhalten in einer Alltagssituation nicht angemessen war und er sich die Zeit nimmt, selbst zu überlegen und zu forschen, was er denn da eigentlich tut und warum er dies wohl so tut.
Eine solche Erkenntnis kann schmerzen, häufig ist sie aber auch befreiend, weil man endlich genau hingeschaut hat und ein Muster erkennt. Es hilft, solche Erkenntnisse in einem persönlichen Tagebuch festzuhalten.
2 Annehmen
Wer ein Muster an sich selbst erkannt hat, tut gut daran, dieses Muster erst mal als zu sich selbst gehörig zu akzeptieren. Wir sind so, weil wir diese Muster irgendwann mal brauchten um zu überleben. Sehr oft haben wir sie sehr früh im Leben gelernt und sie haben uns geholfen, unsere Individualität zu schützen und unseren Platz in der Familie zu finden.
Wer dann glaubt, er oder sie müssen ihren Eltern oder sonstigen Bezugspersonen nun Vorwürfe dafür machen, begibt sich auf eine Einbahnstrasse. Vergangenes kann nicht geändert werden – verzeihen Sie den Beteiligten und wenden Sie sich wieder sich selbst zu. Sie, und nur Sie, haben es in der Hand, für Ihre Zukunft daraus etwas Positives zu machen.
Bereits in dieser Phase ist es hilfreich, mit anderen über das Erlebte und die Muster auszutauschen. Suchen Sie sich dafür Menschen, die Verständnis haben und nicht sofort urteilen und verurteilen. Oft finden sich diese Begleiter/innen in Form von Therapeut/innen und Coaches. Besonders hilfreich sind auch Selbsterfahrungsgruppen unter kundiger Leitung oder Therapiegruppen.
Es hilft auch, das Erlebte und Erkannte kreativ umzusetzen – in eine Parabel oder ein Märchen, in ein Lied oder eine Improvisation auf einem Musikinstrument, in eine Reiseerzählung oder eine Figur. Häufig hilft auch ein Ritual, um das Vergangene loszulassen – das Papier mit den Notizen dem reinigenden Feuer zu übergeben oder zu begraben, auf einer Wanderung Schritt für Schritt hinter sich zu lassen oder …
Bewertung ändern
Wenn Sie Ihr Muster erkannt und mit anderen ausgetauscht haben, finden Sie vermutlich bald heraus, dass andere Menschen dieselbe Situation unterschiedlich bewerten und unterschiedlich damit umgehen können. Sie werden dann z.B. feststellen, dass es nicht der Andere war, der Sie wütend gemacht hat – sondern dass Sie selbst wütend werden, wenn jemand etwas Bestimmtes tut oder sagt, weil dieser Jemand bei Ihnen den Finger auf eine wunde Stelle gelegt hat.
Menschen neigen dazu, den andern viel Macht über sich zu geben. Andere können einen wütend machen, frustrieren oder beleidigen. Was dabei vergessen geht, ist die einfache Tatsache, dass die Anderen sich zwar irgendwie verhalten, aber dass sie nie und nimmer unsere Gefühle machen können, denn unsere Gefühle machen wir uns selbst. Wir projizieren unsere Gefühle auf die andern, statt dass wir selbst dafür Verantwortung übernehmen.
3 Verhaltensalternativen entwickeln
Statt blind wütend drauflos zu agieren und zurück zu schlagen oder sich verletzt in eine Ecke zu verziehen, gäbe es vermutlich bessere Möglichkeiten. Zum Beispiel teilen Sie dem Andern in passender Form mit, wie Sie sich fühlen. Oder Sie zählen zuerst auf zehn und atmen tief durch. Oder Sie ignorieren die Provokation ganz einfach. Oder Sie finden eine überraschende Reaktionsform wie diese: Jemand brummelt „blöde Kuh“ und Sie fragen ganz interessiert zurück: „eine Kuh? Wo? Hab ich gar nicht gesehen!“ Oder Sie fragen ruhig nach: „Was genau meinen Sie mit diesem Vorwurf? Woran erkennen Sie meine Blödheit?“ Oder: „Was beschäftigt Sie gerade? Was haben Sie bei mir gesehen, dass Sie auf eine solche Aussage kommen?“
Es gibt viele Alternativen, auf Provokationen, Beleidigungen, Angriffe und blöde Sprüche zu reagieren. Schauen Sie sich um, achten Sie darauf, wie andere reagieren. Welche Reaktion käme für Sie in Frage? Nehmen Sie sich vor, in Zukunft besser zu reagieren.
4 Üben
Selbst wenn Sie jetzt genau wissen, wie Sie reagieren möchten, werden Sie im alten Muster fortfahren. Bevor Sie merken, was passiert, haben Sie bereits wieder überreagiert. Das ist völlig normal.
Dann wird es Ihnen irgendwann gelingen, zu merken, aha, jetzt ist das wieder so ein Auslöser – und selbst dann können Sie nicht anders und reagieren wie früher. Hier kann es unterstützend sein, ein Erinnerungsstück zur Hand zu haben. Ein Stein in der Hosentasche, ein Bild an der Wand, ein Gegenstand da platziert wo die Situation sich häufig abspielt – all das kann Sie daran erinnern, dass Sie sich etwas vorgenommen haben.
Nach einigen Malen können Sie irgendwann das erste Mal innerlich Stopp sagen und eine neue Reaktion ausprobieren. Es wird Rückfälle und Erfolgserlebnisse geben. Und Sie werden feststellen, dass es immer leichter gelingt, das neue Verhalten zu zeigen.
5 Grundsätzlich
- Nehmen Sie sich eine bestimmte Situation vor und versuchen Sie nicht, alles sofort zu verändern. Wer an einem Punkt beginnt, seine Verhaltensweisen zu ändern, wird eine Folge von Veränderungen anstossen.
- Rechnen Sie damit, dass engste Freunde und Partner/innen konsterniert reagieren. Denn für diese Personen haben Sie etwas sehr Überraschendes getan, auf das diese selbst nicht wissen, wie sie jetzt reagieren sollen. Seien Sie geduldig, auch die andern brauchen Zeit, sich zu orientieren, anzupassen und zu ändern.
- Jede Veränderung des eigenen Verhaltens braucht Zeit, viel Zeit. Erwarten Sie deshalb keine Wunder. Wenn jemand z.B. über 15 Jahre seines Lebens gelernt hat, dass er/sie nur geliebt wird, wenn er/sie tolle Leistungen zeigt, wird er/sie wiederum Jahre brauchen, bis das eigene Selbstwertgefühl auf solideren Grundlagen stehen wird.
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