Die Fähigkeit, sich selbst zu erkennen und den eigenen Empfindungen zu trauen, wird in der mitteleuropäischen Erziehung eher wenig gefördert. Allzu oft wird uns gesagt : „Du brauchst doch keine Angst zu haben“, „Das tut doch nicht weh“, „Das ist nur zu deinem Besten“. Wir lernen schnell, unsere innersten Gefühle zu verbergen – und im schlimmeren Fall abzuwerten oder ihnen nicht zu trauen. Achtsamkeit kann uns helfen, unsere Gefühle zu spüren und uns je länger, je mehr auf sie verlassen zu können. Damit wächst das Vertrauen in die eigene Intuition – wir spüren immer genauer, wer wir sind und was wir brauchen, um uns weiterzuentwickeln. Hinderliche Selbstzuschreibungen aus früheren Zeiten können wir dann ebenso zurücklassen wie nicht mehr nützliche Verhaltensweisen.
Sich selber wahrnehmen: Achtsamkeit
Wer seine Gefühle nicht erkennt, ist ihnen ausgeliefert. Wer dagegen seine Gefühle wahrnimmt, kann ihre Kraft nutzen, um den richtigen Kurs zu finden. Ganz bei sich selbst zu sein, die eigenen Gefühle und gleichzeitig das Aussen voll wahrzunehmen, ist eine grosse Herausforderung. Statt im Augenblick auf sich selbst zu hören, ist man gerne gefühlsmässig in der Vergangenheit befangen oder mit der Zukunft befasst. So kann es vorkommen, dass uns alte Verletzungen in einer aktuellen Situation blockieren. Oder dass Unfälle oder Fehlleistungen passieren, weil wir mit der Aufmerksamkeit woanders sind, weil wir nicht „bei der Sache“ sind. Achtsamkeit schaltet den Autopiloten aus, mit dem wir häufig durchs Leben gehen und der uns Wesentliches verpassen lässt.
Intuition: Was sagt mein Bauch dazu?
Intuition bedeutet, ein Urteil oder eine Entscheidung fällen zu können, ohne lange darüber nachzudenken und die Zusammenhänge im Detail zu kennen. Intuition basiert darauf, dass innert Sekundenbruchteilen Muster erkannt und interpretiert werden. Sehr oft dringt dabei aus unserem Erfahrungsschatz ein kleiner Fetzen in unser Bewusstsein ein und äussert sich als „ungutes Gefühl“ oder eine Blitzidee. Nicht alle Menschen können sich gleich gut auf ihre Intuition verlassen. Intuition kann erweitert werden, indem man innehält, wenn man ein Gefühl nicht ein- oder zuordnen kann und sich fragt, woher dieses Gefühl kommen könnte. Dafür braucht es Musse und das Verlassen von gewohnten Bahnen.
Sich selber kennen: Identität
Das Selbstbild ist bei Kindern noch stark von den Urteilen anderer geprägt. Erst im Verlaufe des Jugendalters entdecken wir, dass wir vielleicht ganz anders sind, als unsere Eltern uns sehen. Die eigene Identität bildet sich an der Spiegelung im Du, also durch Feedback, sowie an der Selbstreflexion. Die Identität entwickelt sich lebenslang weiter, weise Menschen sind gefestigt und kongruent in ihren Werten und ihrem Verhalten.
Den richtigen Abstand wahren: Nähe und Distanz
Die menschliche Entwicklung verläuft von der vollständigen Abhängigkeit von der Mutter zur Selbstständigkeit und Unabhängigkeit. Dieses Unabhängigkeitsstreben kann so weit führen, dass die Hingabe unmöglich wird. Hilfe anzunehmen, sich als Teil eines Ganzen und damit zugehörig zu fühlen, ist dann die Herausforderung. In gewissen Kulturen hat die Selbstaufgabe einen hohen Stellenwert. Speziell von Mädchen wird gefordert, dass sie sich selbst und ihre Bedürfnisse zugunsten anderer zurückstellen. Hier besteht ein Entwicklungsschritt darin, sich besser abzugrenzen, auch mal Nein zu sagen und Selbstbewusstsein zu entwickeln.
Gefühle nutzen: Von der Resignation zum Lebenssinn
Wer seine Gefühle nutzen kann, statt ihnen zuwiderzuhandeln, erzeugt mehr innere Energie und Zufriedenheit. Man ist dann nicht mehr von kurzfristigen Impulsen hin und her gerissen, sondern Gefühle geben Kraft für Beharrlichkeit und Zielerreichung. Gefühle zu nutzen, bedeutet, ein positives Selbstbild zu erzeugen, negative Selbstzuschreibungen zu überwinden und nicht mehr Gültiges loszulassen. Der Lebensstil (Bewegung, Entspannung, Ernährung, Gewohnheiten) wird so an die eigenen Bedürfnisse angepasst, dass der Alltag einen nährt. Darüber hinaus kann es sehr befreiend wirken, im Leben einen Sinn zu finden und sein Lebensthema zu leben.
Weiterführende Links und Hinweise
Im Buch Soft Skills fördern beschreibt Ruth Meyer im 2. Kapitel die emotionale Kompetenz und im Kapitel Kapitel 2.1 speziell die Selbsterkenntnis.
Achtsamkeit