Soft Skills fördern bei Jugendlichen


Die Jugend soll ihre eigenen Wege gehen, aber ein paar Wegweiser können nicht schaden.

Pearl S. Buck

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Soft Skills Release 2.0

Kennen Sie das? Aus einem zufriedenen aufgestellten Schulkind wird ein bockiger grosser Junge, aus der verträglichen Kleinen eine zickige Grosse, der Mama nichts recht machen kann. Lassen Sie sich nicht verunsichern, das muss so sein.

Wie wir inzwischen wissen, wird das Gehirn in der Pubertät umgebaut. Sozial- und Selbstkompetenzen werden dann neu gelernt. Neue Verbindungen im Gehirn müssen gebahnt und ausgebaut werden – dies geschieht einzig und allein durch wiederholtes Üben. Die Reibungen zwischen Erwachsenen und Jugendlichen zeugen von dieser intensiven Auseinandersetzung und Entwicklung.

In der Pubertät entwickelt sich die Moralvorstellung ausgehend von einer starken Autoritätsgläubigkeit (die typisch ist für Kinder) über die Gleichaltrigen als moralische Instanz (typisch für Jugendliche) hin zur Gesellschaft mit ihren Gesetzen und Regeln als Orientierungspunkt. Dass sich Lehrpersonen beziehungsweise Eltern einerseits und Jugendliche andererseits bezüglich Soft Skills oft nicht treffen, liegt vor allem daran, dass Jugendliche häufig infrage stellen, was Erwachsene zwar fordern, selbst aber nicht beherrschen. Von guten Vorbildern lernen Jugendliche auch und vor allem Soft Skills bereitwillig.

Es kann ebenso ein vielversprechender Weg sein, Jugendliche immer wieder mit emotionalen Themen zu konfrontieren und ihnen Gelegenheit zu geben, diesbezüglich zu üben. Sie sind sehr stark mit ihrer eigenen Entwicklung beschäftigt und interessieren sich deshalb stark für alles, was mit ihnen selbst zu tun hat. Das stark ausgeprägte Gerechtigkeitsempfinden macht sie auch gegen Missstände und Ungerechtigkeiten, die andere betreffen, empfänglich.

Es gibt also viele Anknüpfungspunkte, wo sich die Interessen der Jugendlichen mit den Anliegen der Erwachsenen treffen. Nutzen Sie sie, indem Sie:

  • Mit den Jugendlichen in Beziehung bleiben und gelassen über wiederkehrende Reibungspunkte diskutieren (Regeln des alltäglichen Zusammenlebens vereinbaren und deren Einhaltung selbst konsequent vorleben und einfordern).
  • Den Freunden und Freundinnen der Jugendlichen respektvoll begegnen.
  • Über Gruppenzwänge und gesellschaftliche Normen und Regeln in Diskussion bleiben (die offen zur Schau getragene Ablehnung von Normen und Regeln des gesellschaftlichen Zusammenlebens ist zwar Ausdruck der Abgrenzung gegenüber der Erwachsenenwelt, sie zeigt aber auch das gesteigerte Interesse am Sinn ebensolcher Normen und Regeln).
  • Die Übernahme von Verantwortung und Selbstständigkeit aktiv fördern und begleiten.

Im Folgenden wird beschrieben, wie die sechs Soft Skills gemäss Ruth Meyer im Jugendalter gefördert werden können.

Entwicklungskompetenz

Wirkungskompetenz

Beziehungskompetenz

Emotionale Kompetenz

Kommunikative Kompetenz

Gruppenkompetenz

Entwicklungskompetenz fördern

Lernbereitschaft

Zwischen zwölf und zwanzig Jahren nimmt die Bereitschaft für Neues ständig zu. Jugendliche sind grundsätzlich sehr offen gegenüber Neuem und insbesondere auch für die Auseinandersetzung mit sich selbst. Lassen Sie es also zu, dass Jugendliche immer wieder hinterfragen, weshalb Sie etwas so oder anders beurteilen oder wozu eine bestimmte Handlung gut sein soll. Offenheit wird leider allzu häufig abgewürgt, indem zu widerspruchslosem Handeln aufgefordert wird. Daraus erwächst blinde Autoritätsgläubigkeit oder automatischer Widerstand, nicht aber kritische Neugier.

Der „Null-Bock“ Stimmung von Jugendlichen darf nicht zu viel Raum gegeben werden. Fragen Sie die Jugendlichen selbst, weshalb oder wozu sie etwas (nicht) tun. Zeigen Sie Alternativen dazu auf, erweitern Sie aus Ihrem Erfahrungsschatz den Horizont und die Variationsbreite. Unterstützen Sie die Selbstmotivation, indem Sie aufzeigen, was Motivation bewirken und zu welchen Erfolgen sie führen kann. Legen Sie offen, was Sie selbst motiviert.

Unterstützen Sie bei den Schulaufgaben nicht inhaltlich, sondern suchen Sie gemeinsam nach Lösungswegen und passenden Lernstrategien. Gehen Sie mit Fehlern tolerant um, Jugendliche sind sehr leicht zu demotivieren und aus dem inneren Gleichgewicht zu bringen. Stattdessen begrüssen Sie Experimentierfreudigkeit und Neugier.

Reflexionsfähigkeit

In der Pubertät gewinnt die Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich eine neue Brisanz und Wichtigkeit. Da Jugendliche ihre Identität noch nicht vollständig gefunden haben, neigen sie dazu, sich selbst gegenüber sehr unkritisch und nach aussen rechthaberisch zu sein, um ihr schwaches Ich zu schützen.

Anlässe, die Reflexionsfähigkeit zu fördern, gibt es wahrhaftig genügend in diesem Alter. Es ist dabei wichtig, dass nicht verurteilt wird, sondern dass Jugendliche zum Perspektivenwechsel aufgefordert werden: „Was würdest du an meiner Stelle tun?“ „Was glaubst du, was hat Freundin X bewogen, das zu dir zu sagen?“ Daraus erwächst Toleranz im Umgang mit anderen Werthaltungen und Verhaltensweisen ebenso wie eine realistische Selbsteinschätzung und ein förderlicher Umgang mit Kritik.

Drängen Sie Jugendliche nicht in Freizeitaktivitäten, die Sie selbst für richtig erachten. Jugendliche sollten die Freizeit nutzen, um ihre Persönlichkeit weiterzuentwickeln und das, was Schule und Arbeitsplatz von ihnen verlangen, leisten zu können. Ob dazu eine Teamsportart oder Computerspiele oder der Kontakt mit Freunden am hilfreichsten sind – das sollten Sie mit den Jugendlichen zwar diskutieren, aber letztlich entscheidet jeder für sich selbst.

Entwicklungsbedarf planen

In der Zeit der Berufsabklärungen und des beruflichen Ausbildungsbeginns sind die Soft Skills und deren Entwicklung ein wichtiges Thema. Viele Rahmenlehrpläne schliessen die Entwicklung von Soft Skills mit ein, insbesondere auch das Lern- und Arbeitsverhalten. Zuhause zeigt sich der Entwicklungsbedarf von selbst, da wo Reibung und Stress entsteht. Es muss also nichts geplant werden, sondern die Chancen wollen genutzt werden.

Jede Konflikt-Situation birgt in sich das Potenzial zur persönlichen Weiterentwicklung aller Beteiligten ein. Schliessen Sie dabei nicht von vornherein aus, dass Sie selbst sich verändern müssten, möglicherweise weisen Sie Jugendliche auf einen wunden Punkt bei sich selbst hin. Persönliche Entwicklung und Veränderung beginnt da, wo man auf ein Defizit stösst und den Mut hat, es sich genau anzuschauen.

Entwicklung planen

Bei Jugendlichen ist der Frontallappen im Gehirn, der für die Hemmung und Steuerung von Gefühlen zuständig ist, im Umbau begriffen. Deshalb reagieren Jugendliche oft impulsiv, ohne die Konsequenzen ihres Handelns richtig zu bedenken. Planung wird ausgelassen, also muss sie eingeübt werden, indem das Durchdenken bis hin zu den Langzeitfolgen eingefordert und gemeinsam praktiziert wird. Formulieren Sie mit dem Jugendlichen gemeinsam das angestrebte Verhalten ganz konkret. Zeigen Sie auf, was die langfristigen Folgen der geplanten Schritte sind. Vereinbaren Sie, an welchen Verhaltensweisen Sie den Erfolg messen. Überlegen Sie ebenfalls gemeinsam, welche Personen den Lernprozess unterstützen und welche besser ignoriert werden. Lassen Sie Jugendliche selbst festlegen, mit welchen Dingen sie sich belohnen wollen.

Entwicklung überprüfen

Jugendliche sollen einfühlsam angeleitet werden, das eigene Verhalten und die eigenen Fähigkeiten zu beobachten und zu beurteilen, Fremdbeurteilungen zu akzeptieren und einzuordnen. Sie brauchen dazu genaue Bewertungskriterien, die gemeinsam mit ihnen entwickelt werden, um ihre Beurteilungskompetenz und Persönlichkeit zu stärken.

Jugendliche überprüfen sehr genau, ob das geforderte und geförderte Verhalten mit den Lebensrealitäten vereinbar sind. Wesentlicher als die positive Beurteilung durch Erwachsene ist diejenige der Gleichaltrigen. Die Beurteilung ist deshalb immer auch in diesem Licht zu sehen und darf den Jugendlichen keinesfalls blossstellen.

Bleiben Sie in Beziehung, geben Sie Jugendlichen Feedback zu ihrem Verhalten. Zeigen Sie Ihre eigenen Gefühle und Sorgen. Begründen Sie, warum Sie kritisieren und entschuldigen Sie sich, wenn Sie in Ihren emotionalen Reaktionen zu weit gegangen sind.

Bei Jugendlichen erweist sich die Auseinandersetzung mit den Soft Skills aus Sicht der Erwachsenen oft als ein Fass ohne Boden. Was früher mal geklappt hat, scheint nun überhaupt nicht mehr vorhanden zu sein (Rücksichtnahme, Einfühlung, Anstand … ). Der Aufwand ist häufig riesig gross, der Ertrag scheint ziemlich gering. Die moderne Hirnforschung zeigt allerdings, dass der grosse Aufwand und die intensive Auseinandersetzung mit Soft Skills entsprechende Nervenbahnen im Gehirn anregt und der Erfolg langfristig eintritt.

Emotionale Kompetenz fördern

Selbsterkenntnis

Jugendliche stellen sich oft folgende Fragen oder Varianten davon: „Wer bin ich?“ „Was werde ich sein?“ „Wie will ich sein?“ „Warum bin ich so?“ „Was wäre, wenn es mich nicht gäbe?“ Zu diesen Fragen gehören natürlich die Selbstzweifel dazu und auch die Frage, wie widersprüchlich jemand überhaupt sein kann und darf.

Identität wird durch die Spiegelung in anderen geformt. Indem sich Jugendliche mit Gleichaltrigen vergleichen, Gespräche mit Vertrauten pflegen und ihre Wirkung auf andere testen, bauen sie ihr Selbstbild auf. Dadurch reifen die eigene Wahrnehmung und das Bewusstsein für die eigene Ausstrahlung. Identität wächst auch aus der Beschäftigung mit sich selbst, mit Biografien und Vorbildern. Jugendliche sollten ermuntert werden, Tagebuch zu führen, um sich selber besser kennenzulernen.

Gefundene Bausteine einer eigenen Identität werden gerne zur Abgrenzung nach aussen demonstrativ gezeigt – in Kleidung, Frisur, Verhalten und Einstellungen. Es wird immer wieder erprobt, wie sicher diese Abgrenzung zwischen Innen und Aussen gelingt, welches Selbst man zur Schau tragen will und wie man auf die andern wirkt. Die eigenen Gefühle werden entweder als überwältigend oder als fast nicht vorhanden wahrgenommen, und die Person wirkt entsprechend hysterisch oder abgestumpft. Falls Gefühle nicht wahrgenommen werden, können Selbstverletzungen oder alle möglichen Formen von Extremerlebnissen die vermeintlich nicht vorhandenen Gefühle ersetzen.

In dieser Phase der Unklarheit über die eigene Person, ihre Stärken und Ausprägungen, sind Jugendliche sehr empfindlich und verletzbar. Sie ziehen sich zurück und reagieren harsch auf Urteile von Personen, mit denen sie nichts zu tun haben, oder aber sie gehen zum aggressiven Gegenangriff über. Lob und Kritik wirken wesentlich stärker auf die Jugendlichen, als wir gemeinhin annehmen. Falsches Lob, aber auch übersteigerte Kritik oder abwertendes Verurteilen erschweren es dem Jugendlichen massiv, zu einem realistischen Selbstbild zu kommen.

In ihrem Bedürfnis nach Wertschätzung und Erfolg sind Jugendliche verführbar. Sie müssen lernen, nein zu sagen zu dem, was nicht zu ihnen passt, und sich einzusetzen für das, was sie brauchen. Fragen Sie so oft wie möglich nach, glauben Sie nicht allzu schnell, Sie wüssten, was für Jugendlichen gut ist. Sie können es nämlich gar nicht wissen, und Jugendliche lernen an Ihrem Nachfragen, genauer auf sich selbst zu hören.

Selbstdisziplin

Was Kinder an Selbstdisziplin nicht gelernt haben, wirkt sich im Jugendalter verstärkt aus. Verbunden mit den in diesem Alter üblichen Stimmungsschwankungen und den entwicklungsbedingten physiologischen Veränderungen, ist es für Jugendliche schwierig, ihre Affekte unter Kontrolle zu halten. Im Vordergrund stehen weniger die aggressiven Gefühle, die Jugendliche umtreiben, sondern die Verunsicherung in Bezug auf die Liebe und die eigene Identität. Wenn Jugendliche über Gebühr gewalttätig werden, hat das oft nicht so sehr mit mangelnder Affektkontrolle zu tun als vielmehr damit, dass die Jugendlichen auf sich und die eigenen Probleme aufmerksam machen wollen. Umso deutlicher und schneller sollten deshalb bei Gewalttätigkeiten und Delikten die Sanktionen ausfallen. Die Affektkontrolle dagegen kann nun mit rationalen Argumenten und Ethik oder Moral begründet werden. Jugendliche mit ihrem grossen Gerechtigkeitsempfinden sind dafür sehr empfänglich. Zeigen Sie Ihre eigenen Schwächen bei der Selbstdisziplin im Umgang mit Sucht oder mit Gefühlen – thematisieren Sie, wie schwierig es auch für Erwachsene noch ist, sich selbst unter Kontrolle zu halten.

Führen Sie den Jugendlichen durch das ABC der Gefühle. Die aufkommende Sexualität und deren drängenden Bedürfnisse beschäftigen intensiv. Thematisieren Sie die Freiwilligkeit von Zärtlichkeit und Sexualität und ermuntern Sie Jugendliche, sich von niemandem zu etwas drängen zu lassen, was sie selbst nicht wollen.

Der Umgang mit Geld will geübt sein. Lassen Sie Jugendliche selber über ihr Geld verfügen – sie brauchen aber Unterstützung bei der Budgetierung und Ausgabenplanung. Jugendliche möchten sofort und unbedingt die gleichen Statussymbole haben wie die andern – stellen Sie die Unbedingtheit dieses Wunsches öfter zur Diskussion.

Jugendliche zeigen oft zu grossen Optimismus oder zu grossen Pessimismus kurz nacheinander (himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt) – wirken Sie mässigend, aber zeigen Sie Mitgefühl. Ihre eigene Gelassenheit hilft Ihnen dabei. Jugendliche dagegen müssen noch nicht gelassen sein. Es ist ihre Entwicklungsaufgabe, Grenzen auszuloten, auch gefühlsmässige Grenzen. Es sind die sie umgebenden Erwachsenen, die aufgefordert sind, sich in Gelassenheit zu üben und damit ein Vorbild abzugeben. Natürlich helfen Entspannungstechniken, aber auch Sport und Musik beim Spannungsabbau, Jugendliche müssen da selbst das für sie Stimmige entdecken.

Selbstständigkeit

Jugendliche sind in Bezug auf ihre Selbstständigkeit ziemlich verunsichert, denn der Körper und mit ihm die Stimme verändern sich. Wo immer möglich möchten sie zwar die Abhängigkeit von Erwachsenen vermeiden und sich höchst ungern in ihre persönlichen Bereiche hineinreden lassen, trotzdem brauchen sie in diesem Übergang einfühlsame Unterstützung.

Thematisieren Sie Gruppendruck und den Einfluss der Medien auf das eigene Verhalten. Ermutigen Sie die Jugendlichen, klar Nein zu sagen bei Übergriffen und für ihre Bedürfnisse einzustehen. Respektieren Sie aber auch die Entscheidungen der Jugendlichen, wenn sie sich Ihnen gegenüber abgrenzen, gehen Sie sorgsam mit der Intimsphäre und den persönlichen Themen um.

Viele Erwachsene machen sich Sorgen, weil Jugendliche vermeintlich zu viel rumhängen. Äusserliche Passivität ist aber oft ein Zeichen für innere Aktivität: Wenn Jugendliche rumhängen, sind sie wahrscheinlich mit inneren Prozessen beschäftigt. Oft fehlt den Jugendlichen dann sogar der Antrieb für kleine Hilfeleistungen – machen Sie daraus kein Drama, aber lassen Sie sie die Folgen spüren, wenn sie zu träge sind, um im Alltag mitzuhelfen.

Engagement

Das Interesse der Jugendlichen ist auf die Themen des Erwachsenwerdens fokussiert und oft nur schwer auf Aufgaben von Schule oder Betrieb zu lenken. Jugendliche sind aber durchaus in der Lage, Aufgaben zuverlässig und verantwortungsbewusst zu lösen, wenn sie die dafür notwendigen Rahmenbedingungen vorfinden.

Jugendlichen fehlt eigentlich das Bewusstsein für langfristige Entwicklungen. Trotzdem müssen sie Entscheidungen von grosser Tragweite (Berufswahl, Freizeitverhalten, Umgang mit Gesetzen, soziale Kontakte) fällen. Stehen Sie ihnen diesbezüglich beratend, aber nicht autoritär zur Seite. Diskutieren Sie über Vor- und Nachteile, über ethische und moralische Aspekte, über ökologische und persönliche Konsequenzen der Entscheidungen, warnen Sie vor möglichen Risiken und Gefahren, zeigen Sie aber auch Potenzial auf. Jugendliche denken stark schwarz-weiss – weisen Sie auf die Grautöne hin. Tragen Sie Entscheidungen der Jugendlichen mit und bleiben Sie im Dialog. Signalisieren Sie öfter, dass es besser ist, einen Entscheid spät zu überdenken als nie.

Fördern Sie zuverlässiges Verhalten, in dem Sie Jugendlichen regelmässig wiederkehrende Aufgaben geben, die selbstständig erledigt werden können, und prüfen Sie deren Einhaltung. Bestehen Sie auf der Einhaltung von wenigen, aber klaren Abmachungen und Regeln.

Jugendliche wollen in die Selbstverantwortung entlassen werden und beobachten Eltern und Lehrpersonen kritisch daraufhin, wie diese in dieser schwierigen Zeit mit der Situation des Loslassens umgehen. Die Erwachsenen sind diesbezüglich entscheidende Vorbilder für die eigene Entwicklung. Achten Sie deshalb darauf, wie Sie Traditionen und sich verändernde Beziehungen gestalten – lassen Sie als Eltern Jugendliche aktiv mitreden, wie Familienfeste und -beziehungen gepflegt werden.

Empathie

Aktuelle Forschungen zeigen, dass sich das Gehirn länger entwickelt und verändert, als man früher angenommen hat. Der präfrontale Kortex (Hirnrinde) reift langsam, und dessen Entwicklung kommt erst im Erwachsenenalter zum Abschluss. Stimulierte, also immer wieder aktivierte Bereiche entwickeln sich eher. Es scheint, dass insbesondere die für die Verarbeitung von Emotionen zuständigen Bereiche des Gehirns im Jugendalter noch stark in Veränderung sind. Es könnte also ein vielversprechender Weg sein, Jugendliche mit emotionalen Themen immer wieder zu konfrontieren und ihnen Gelegenheit zu geben, diesbezüglich zu üben.

Lassen Sie zu, dass die Jugendlichen Sie selbst (wie alle Erwachsenen) hinterfragen. Reagieren Sie nicht abweisend oder rechtfertigend, sondern zeigen Sie sich mit Ihren Werten und Gefühlen –  dies hilft Jugendlichen, zu verstehen wie andere sind und funktionieren.

Drängen Sie sich Jugendlichen nicht auf, wenn Sie denken, sie bräuchten Unterstützung – aber bieten Sie Ihre Unterstützung freundlich an. Helfen Sie nur so viel, wie der Jugendliche selber wünscht. Ziehen Sie Jugendliche so oft zu Ihrer Unterstützung bei, wie Sie können. Jugendliche sollen die Erfahrung machen, dass sie gebraucht werden und ihre Beiträge für andere hilfreich und wichtig sind.

Wirkungskompetenz fördern

Echtheit

Im Jugendalter kann das Selbstvertrauen wesentlich erschüttert werden und Schüchternheit entstehen, denn Jugendliche stellen sich mehr infrage als Kinder. Viele patzige oder abweisende Verhaltensweisen von Jugendlichen entsprechen übrigens tatsächlich ihrer inneren Unsicherheit und Befindlichkeit – lassen Sie sich davon nicht provozieren, sondern versuchen Sie, gemeinsam mit dem Jugendlichen herauszufinden, was er mit seinem Verhalten zeigen will. Jugendliche sind sich ihrer Wirkung sehr ungewiss, deshalb probieren sie aus, womit sie welche Wirkung erzielen können.

Vermeiden Sie Stigmatisierungen und Vorurteile. Jugendliche sind im Begriff, sich selbst und ihre Persönlichkeit kennenzulernen, dabei sind sie leicht beeinflussbar. Nehmen Sie sie in ihren Bemühungen um Selbsterkenntnis ernst. Wenn ein Jugendlicher Ihnen sagt, „Ich bin gar nicht so, wie Sie denken“ – dann fragen Sie genauer nach. Wahrscheinlich haben Sie dem Jugendlichen aus seiner Sicht Unrecht getan, und er möchte von Ihnen in seinem „eigentlichen“ Wesen bestätigt werden.

Loben und kritisieren Sie gerecht und nach objektiven Kriterien. Seien Sie selbst klar in Bezug auf Ihre eigenen Stärken und Schwächen, lassen Sie sich helfen und stehen Sie zu Ihren Fehlern – das ist die Art von Selbstwertgefühl, die sich Jugendliche zum Vorbild nehmen. Fragen Sie nach einer guten Leistung: „Wie hast du das hingekriegt? Welche deiner Fähigkeiten haben dir geholfen?“ So machen Sie dem Jugendlichen bewusst, dass er selbst die gute Leistung erbracht hat und welche Ressourcen er auch für die Zukunft hat.

Jugendliche sind häufig sehr darauf fixiert, sich selbst und die eigene Wirkung auf andere kritisch zu hinterfragen. Diese ängstliche Selbstbeobachtung sollte nicht durch abwertende Bemerkungen verstärkt werden. Achten Sie insbesondere darauf, dass zurückhaltende Jugendliche nicht ausgelacht oder blossgestellt werden, wenn sie sich mal etwas mehr zeigen.

Auftreten

Jugendliche sind zwar sehr auf Wirkung nach aussen bedacht, aber ihr Auftreten entspricht häufig nicht den Vorstellungen der Erwachsenen sondern dient eher der Abgrenzung gegenüber Kindheit und Erwachsenenwelt. In diesem (aus der Sicht der Erwachsenen betrachteten) Dilemma haben Erwachsene die heikle Rolle, das was die Jugendlichen von sich zeigen gemeinsam daraufhin zu überprüfen, ob Bild- und Körpersprache und Selbstdarstellung tatsächlich zum Jugendlichen und seinem Anliegen passen. Und darüber hinaus die Folgen aufzuzeigen, die das unbedachte Auftreten in der Aussenwelt (vor allem auch in den social medias und am Arbeitsplatz) nach sich zieht.

Jugendliche wollen und sollen die Welt verbessern. Unterstützen Sie sie dabei, ihre Ideen und Werte zu begründen und untermauern. Lassen Sie auch die Folgen für die Gemeinschaft und die Einzelnen darlegen. Fordern Sie aber auch zu Taten im Dienste dieser Werte auf, insbesondere im konkreten Zusammenleben im Alltag.

Jugendliche sind anfällig dafür, charismatischen Personen blinde Gefolgschaft zu leisten. Diskutieren Sie deshalb darüber, welche Verhaltensweisen und Eigenschaften jemanden zum Führer, eventuell auch zum Verführer machen können. Es geht dabei nicht darum, diese Verhaltensweisen zu idealisieren oder zu verdammen, sondern sie zu analysieren und zu durchschauen.

Präsentieren

Jugendliche lernen in der Schule, Präsentationen zu erstellen und unterschiedliche Medien zu nutzen. Sie können dies unterstützen, indem Sie Werbungen und Filme in Bezug auf ihre Wirkung analysieren und diskutieren. Thematisieren Sie dabei auch Kleidung, Körpersprache und Wortwahl.

Sich durchsetzen

Kinder lernen früh, auf welche Art und Weise sie sich am besten in ihrer Familie durchsetzen können. Ob sie es mit Schmeichelei oder Drohung oder Selbstabwertung (gespielte Hilflosigkeit) tun – diese Wege können spätestens im Jugendalter bei der Gestaltung beruflicher oder persönlicher Beziehungen hinderlich sein. Reagieren Sie unmittelbar auf aggressives Auftreten, indem Sie Jugendliche darauf hinweisen, dass dies im Zusammenleben kontraproduktiv ist.

Bestimmtes, selbstbewusstes Auftreten will geübt sein (z.B. Körperhaltung, Augenkontakt, laut und deutlich reden, sich in Ich-Form ausdrücken). Dazu gehört es auch, dass man seine Wünsche in sozial akzeptabler Form äussern und mit Ablehnung umgehen kann. Enge Bezugspersonen haben diesbezüglich oft blinde Flecken und merken selbst nicht, wie unangebracht sie ihre Anliegen durchsetzen. Hier bieten sich im Umgang mit Jugendliche einmalige Entwicklungschancen für Erwachsene!

Zivilcourage

Um sich vom kindlichen Niveau des Moralbewusstseins (autoritätsgläubig) zu lösen, ist es wichtig, moralische Normen zu hinterfragen und nicht blind Autoritäten zu folgen. Jugendliche verhalten sich deshalb häufig vorübergehend moralisch willkürlich, sie richten sich nach ihren persönlichen Ansichten und Emotionen. Begriffe wie „moralisch richtig“ oder „Pflicht“ halten sie für verdächtig und höchst relativ. Sie müssen erst lernen, die Gesetze der Gesellschaft und ethische Grundsätze als für sich selbst auch relevant zu erkennen, zu respektieren und sich aktiv dafür einzusetzen.

Zivilcourage beginnt in der Familie und in den engsten Freundesgruppen. Analysieren Sie gemeinsam die den verschiedenen Gemeinschaften (auch der Familie) zugrunde liegenden moralischen Normen. Diskutieren Sie darüber, wo unbedingte Loyalität und wo kritisches Hinterfragen angebracht ist. Unterstützen Sie Jugendliche, wenn es darum geht, konstruktiv Kritik anzubringen, indem Sie selbst auf Kritik offen reagierenund damit zeigen, wie konstruktiv kritisiert und interveniert werden kann.

Kommunikative Kompetenz fördern

Kommunikation verstehen

Jugendliche können Modelle und Gesetzmässigkeiten der Kommunikation verstehen. Um auch angemessen kommunizieren zu können, brauchen sie Erfahrungsmöglichkeiten, Übungsgelegenheiten und Feedback. Sie lieben es, Botschaften zu analysieren und herauszufinden, wie sie auch noch interpretiert werden können. Sie spüren sehr genau, wie die Sprache gezielt für die eigenen Zwecke eingesetzt werden kann. Hören Sie als Vorbild genau hin und fragen Sie nach, ob der Jugendliche von sich selbst oder von anderen redet und ob er seine Worte mit Bedacht wählt. Jede Form von Metakommunikation (Reden über die Art und Weise, wie man miteinander redet), fördert das Verständnis für förderliche Kommunikation.

Brechen Sie unfruchtbare und hitzige Gespräche ab. Vereinbaren Sie aber zugleich einen Zeitpunkt, wo und wann der Faden wiederaufgenommen wird. Achten Sie dann darauf, dass Sie das Gespräch in einer innerlich ruhigen und abgeklärten Haltung angehen. Drücken Sie zuallererst Ihr Interesse an der Sichtweise des Jugendlichen aus. Sie sollten dieses Interesse und die Neugier darauf, was der Jugendliche zum Thema zu sagen hat und wie er sein Verhalten selbst sieht, aber auch tatsächlich haben, sonst trägt das Gespräch nicht zur Klärung bei. Jugendliche spüren schnell, wenn Erwachsene desinteressiert bloss eine Pflicht erfüllen oder ihre eigenen Ansichten breitschlagen wollen.

Zuhören

Jugendliche brauchen aufmerksame Zuhörer und Zuhörerinnen. Sie erleben häufig, dass ihnen die Erwachsenen nicht zuhören, sondern vorschnell interpretieren und reagieren und dass die Meinung der Jugendlichen die Erwachsenen selten interessiert. Wenn Sie Jugendlichen also das Zuhören beibringen wollen, müssen Sie zuallererst ein gutes Vorbild sein und selbst zuhören, damit die Jugendlichen lernen, wie sich das anfühlt, wenn einem jemand wirklich zuhört.

Zum Zuhören gehört auch, sich bei den anderen etwas abgucken. Jugendliche kleiden sich und reden beispielsweise so, wie die Gruppe, der sie sich zugehörig fühlen, sich kleidet und redet. Greifen Sie nicht unnötig ein, denn da die Abgrenzung gegenüber den Eltern stärker wird, brauchen die Jugendlichen das Gefühl der Zugehörigkeit anderswo. Umgekehrt bedeutet dies allerdings auch, dass Sie sich in Kleidung und Sprache deutlich von den Jugendlichen abheben sollten, die Jugendlichen wollen zurzeit gar nicht mit Ihnen harmonieren.

Mithilfe von Umschreibungen und Zusammenfassungen zu zeigen, was man verstanden hat, hilft dem Gegenüber dabei, sich selbst besser wahrzunehmen und geschätzt zu fühlen. Dadurch kann auch der andere besser zuhören und sich für Ideen öffnen. Decken Sie gegenüber den Jugendlichen auf, wie Sie beim Zuhören vorgehen, und üben Sie diese Form des Zuhörens mit ihnen.

Werden Gefühle in Form von Fragen oder Assoziationen und Bildern gespiegelt, lernen Jugendliche verstehen, dass auch heftige Gefühle nichts Schlimmes sind. Es fällt ihnen leichter, ihre Probleme selbst zu lösen. Erwarten Sie aber nicht von Jugendlichen, dass Sie diese Form von Verstehen ebenfalls zeigen können – dafür braucht es ziemlich viel Übung und eigene innere Klarheit. Zeigen Sie den Jugendlichen auf, dass es nur schon hilft, wenn das Gefühl bestätigt wird („Ja, du klingst sehr traurig“).

Achten Sie auf Widersprüche zwischen der verbalen und nonverbalen Äusserung. Ihre eigene Irritation weist Sie auf mögliche Unklarheiten oder Zurückgehaltenes hin. Drücken Sie diese Unklarheit aus, damit der Jugendliche erkennen kann, woher Sie Ihre Vermutung oder Interpretation beziehen.

Dialoge führen

Echte Dialoge in der erlebten Realität sind ausserordentlich selten, gerade zwischen Jugendlichen und Erwachsenen. Deshalb geht es bei Gesprächen zwischen Eltern und bald erwachsenen Kindern darum, Erfahrungen damit zu sammeln, wie gehaltvoll und bereichernd es sein kann, sich gegenseitig den Raum für den persönlichen Ausdruck und hierarchiefreies Debattieren zu geben.

Nehmen Sie sich Zeit, mit Jugendlichen zu palavern. Tragen Sie dazu bei, dass Gedankengänge offengelegt und gemeinsam Neues und tiefer Liegendes erkundet werden. Verdeutlichen Sie im Gespräch, dass alle Einschätzungen zu Ereignissen, anderen Personen oder zu sich selbst Interpretationen sind, die diskutiert werden können.

Fragen Sie nach weiteren Aspekten und nach anderen Ansichten, ohne zuerst zu bewerten. Eine gute Gelegenheit, in einen Dialog zu kommen, ist ein Auswertungsgespräch zu einer geleisteten Arbeit. Anstelle einer schnellen Bewertung lassen Sie sich erklären, wie und warum die Arbeit in dieser Form ausgefallen ist, und stellen eine Verbindung zu Ihren eigenen Denkmustern und Ihrem eigenen Wissensstand her. Erklären Sie bei Ihren eigenen Ausführungen, was hinter Ihren eigenen Annahmen und Handlungen steht, und stellen Sie diese nicht als einzige Wahrheit hin. Fordern Sie die Jugendlichen auf, ihre eigenen Annahmen und Gedanken dazu zu äussern und auch zu sagen, was ihrer Ansicht nach ausser Acht gelassen wurde beziehungsweise was fehlt.

Verhandeln

Wenn man eine Verhandlung vorbereitet, sollte man sich Gedanken machen zu den nachfolgenden Fragen. Bereiten Sie gemeinsam mit dem Jugendlichen diese Fragen vor, wenn er oder sie z.B. zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen ist oder von jemand anders etwas einfordern will.

  • Wie werde ich das Gespräch / die Verhandlung eröffnen?
  • Welches Material brauche ich?
  • Welche Fragen muss ich stellen, um die gemeinsamen/unterschiedlichen Interessen herauszufinden?
  • Was ist mir am wichtigsten?
  • Was ist meinen Verhandlungspartnern am wichtigsten? Wie kann ich sie wertschätzen?
  • Wo werden wir uns ziemlich sicher einig?
  • Wo werden wir tragfähige Kompromisse finden müssen?
  • Wie komme ich zu verbindlichen Entscheiden, Vereinbarungen?
  • Wie möchte ich das Gespräch / die Verhandlung abschliessen?

Lassen Sie Jugendliche ihre Bedürfnisse und Interessen deutlich formulieren. Achten Sie darauf, dass unterschieden wird zwischen Bedürfnissen (sind subjektiv), Bitten (können abgelehnt werden) und Forderungen (müssen begründet sein). Diskutieren Sie Argumente aus und finden Sie Kompromisse, die keine einseitigen Verlierer zurücklassen. Arbeiten Sie auf eine Problemlösung hin statt zu polarisieren oder Recht behalten zu wollen. Bestehen Sie darauf, dass Vereinbarungen dazu da sind, dass sie eingehalten werden; die Einhaltung sollte von beiden Seiten überprüft werden können.

Schwierige Gesprächssituationen meistern

Gespräche mit Jugendlichen nehmen oft vorhersehbare Wege, Teufelskreise sind ausserordentlich häufig, da Jugendliche noch nicht die ganze Bandbreite von Sichtweisen zur Verfügung haben und es gewohnt sind, dass Ältere sich ohnehin kaum für ihre Welt interessieren. Der Erfolg liegt am Vorbild der Erwachsenen und der alltäglichen Übung darin, die eigene Wahrnehmung zu schärfen und die eigenen Worte zu bedenken.

Sobald Sie merken, dass sich ein Gespräch im Kreis bewegt und eskaliert, unterbrechen Sie es besser. Fragen Sie den Jugendlichen nach seiner Ansicht, weshalb das Gespräch so verläuft, wie es gerade verläuft. Halten Sie regelmässig Familienrat und gehen Sie dabei häufigen Missverständnissen auf den Grund.

Im Gespräch mit einer verzweifelten Person helfen folgende Verhaltensweisen wie körperliche Nähe, Wärme und Melodie in der Stimme, Schweigen und gut zuhören. Wenn man selbst der Auslöser ist (z.B. weil man mit einer Beziehung Schluss macht oder eine andere Person sehr verunsichert hat), ist eine Entschuldigung für das Zufügen von seelischem Schmerz angezeigt. Erklären Sie Jugendlichen, dass eine verzweifelte Person freundliche und mitfühlende Gesten braucht. Bei aller Hilfsbereitschaft sollen aber auch Jugendliche sehr genau darauf achten, wann sie selbst den Boden unter den Füssen verlieren, denn dann sollte sofort eine aussenstehende Person beigezogen werden.

Aggression in der Kommunikation ist ein Signal. Beantworten Sie jugendliche Aggression im Gespräch betont wohlwollend. Jugendliche äussern viele ihrer Gefühle und Bedürfnisse aggressiv oder provozierend, weil sie glauben, dass sie sonst nicht gehört werden. Widerlegen Sie diesen Glauben, indem Sie beim Ausdruck von persönlichen Anliegen sehr genau sind und wertschätzend nachfragen, bis Sie verstehen, was hinter der Aggression steht.

Beziehungskompetenz fördern

Beziehungen pflegen

Freundschaften und Liebesbeziehungen gehören zu den wichtigsten Themen im Jugendalter. In einer Gruppe dabei zu sein, erste Erfahrungen mit der Sexualität zu machen und enge Freundschaften zu erfahren, beschäftigt Jugendliche meistens stärker als der Schulstoff oder die Arbeit.

Freundschaft besteht aus gegenseitiger Akzeptanz, Interesse und Aufmerksamkeit, Einfühlung und Hilfsbereitschaft. Gemeinsame Erlebnisse, Humor, Freude, Spass, Loyalität und Treue, Verlässlichkeit und Freiheit machen Freundschaften überlebensfähig. Leben Sie selbst als Erwachsene solche Freundschaften vor. Beziehen Sie die Jugendlichen mit ein in die konkrete Gestaltung von gemeinsamen Beziehungen, z.B. zu Familienmitgliedern. Jugendliche sollten gerade auch in der Familie aus der asymmetrischen Eltern-Kind-Beziehung in eine freundschaftliche Beziehung hineinwachsen können.

Nehmen Sie sich Zeit für Jugendliche mit Liebeskummer. Verurteilen Sie niemanden, bringen Sie zum Ausdruck, dass in jeder Beziehung Krisen vorkommen und für die persönliche Weiterentwicklung notwendig sind. Ermutigen Sie die junge Frau oder den jungen Mann, den eigenen Anteil am Problem zu erkennen und das eigene Verhalten zu reflektieren.

Unterstützen Sie die jungen Personen dabei, in Beziehungskrisen ihre eigenen Empfindungen und Bedürfnisse klar zu äussern, und zwar nicht per SMS, sondern im persönlichen Gespräch. Viele Jugendliche glauben, sie hätten kein Anrecht auf ihre eigenen Bedürfnisse, sondern müssten jederzeit dem andern zu Gefallen sein.

Vermeiden Sie es unbedingt, Einfluss auf die Liebesbeziehungen Jugendlicher nehmen zu wollen. Wenn Sie den Partner oder die Partnerin ablehnen oder für den jungen Mann oder die junge Frau als nicht förderlich empfinden, lassen Sie das diese nicht spüren, denn die Liebesbeziehung eines andern Menschen geht Sie grundsätzlich nichts an. Selbstverständlich können Sie mit der nötigen Offenheit versuchen, im Gespräch mit der jugendlichen Person zu verstehen, was diesen anderen Menschen so attraktiv macht. Wenn Sie ihr gut zuhören, wird sie gewisse Zusammenhänge selbst entdecken.

Sprechen Sie mit Jugendlichen über Sexualität und die damit verbundenen Themen. Lassen Sie aber die persönlich gelebte Sexualität (sowohl ihre eigene wie auch diejenige der Jugendlichen) aussen vor – Sexualpraktiken und sexuelle Vorlieben gehören zu den Vertraulichkeiten, die innerhalb einer Beziehung bleiben sollen – und Jugendliche brauchen nichts mit dem Sexualleben der Erwachsenen zu tun zu haben.

Konflikte bewältigen

Jugendliche unter sich haben symmetrische Konflikte. Konflikte mit Lehrpersonen, Ausbildenden und Eltern oder Erziehern sind asymmetrisch, da die Verantwortung und die Macht ungleich verteilt sind. Das Bewusstsein dafür, ob ein Machtgefälle da ist oder nicht, ist zwingender Bestandteil der Konfliktlösung. Ein Machtgefälle soll keinesfalls verwischt werden, es soll nicht so getan werden, als ob Jugendliche gleichberechtigt mit ihren Eltern wären. Sonst werden im Konfliktgespräch Scheinlösungen erarbeitet, die, „wenn es darauf ankommt“, später wieder über den Haufen geworfen werden.

Spätestens im Jugendalter sollte eine gute Streitkultur etabliert sein. Streitkultur heisst, einander offen und fair die Meinung sagen, ohne zu verletzen. Lassen Sie negative Streittypen sammeln und diskutieren, dies ist ebenso unterhaltsam wie lehrreich. Streittypen: Die Punktesammler, die Tester, die Ironischen, die Wendehälse, die Hobbypsychologen, die Besserwisser, die Geheimniskrämer, die Gesprächskiller, die Dauerredner, die Schweiger, die Manipulierer, die Schläger, die Rausredner …

Symmetrische Konflikte

Moderieren Sie Konfliktlösungen von Jugendlichen unter sich. Achten Sie darauf, dass die folgenden Gesprächsschritte  eingehalten werden: Gesprächsvorbereitung, Gesprächseinstieg, Gesprächsziel erläutern, Problemdarstellung, Sichtweisen abgleichen/Lösungen suchen, Vereinbarungen treffen. So können Jugendliche lernen, symmetrische Konflikte zu bewältigen. Kompromisse und gemeinsame Lösungen sind eine grosse Chance in symmetrischen Beziehungen. Viele Jugendliche sind ungeübt im Umgang mit symmetrischen Konfliktlösungen und probieren, ihre Gleichaltrigen mit den gleichen Mitteln zur Einsicht zu bringen, wie es Eltern mit Kindern tun. Dass dies auch Erwachsene noch tun und ihre Partner/innen belehren, ist leider weit verbreitet. Hier bietet sich mit jungen Erwachsenen ein grosses Übungsfeld, wo Sie gemeinsam eine Lösung zu finden versuchen, bei der beide Parteien einander auf Augenhöhe begegnen und entgegenkommen.

Asymmetrische Konflikte

Für die folgenden typischen Konfliktauslöser sollten in asymmetrischen Beziehungen (wo die Macht ungleich verteilt ist) Regeln vereinbart werden:

  • aktiver oder passiver Widerstand (Anweisungen nicht befolgen, „Dienst nach Vorschrift“)
  • persönliche Angriffe (lächerlich machen, anrempeln, drohen, beschimpfen)
  • Provokation (unanständiges oder unhöfliches Verhalten, demonstratives Desinteresse)
  • Störungen (zu spät kommen, unangebrachter Gebrauch von elektronischen Geräten)

Die Phasen eines Konfliktgespräches in asymmetrischen Beziehungen

Einleitung
1.  Konfrontation ( sachliche Beschreibung des Konfliktes, Benennen des erwünschten Verhaltens)
2.  Stellungnahme des Jugendlichen (Beschreibung der eigenen Wahrnehmung)
3.  Erwünschtes Verhalten festhalten (Vereinbarung oder Vorgabe mit klarer Zeitangabe zur Überprüfung)
4.  Wege zur Erreichung des gewünschten Verhaltens suchen (mindestens fünf Alternativen)
5.  Bewertung der Alternativen durch den Jugendlichen, Moderation durch den Erwachsenen
6.  Vereinbarung der nächsten Schritte (auf Realisierbarkeit achten), Sanktion bei Nichteinhalten bekannt geben,
Gesprächsabschluss
Nachbesprechung und Überprüfung zum vereinbarten Zeitpunkt.

Möglicherweise ist es auch angebracht, nur die eigenen Forderungen und Erwartungen zu formulieren und nicht auf eine weitere Diskussion einzugehen. Dies ist dann der Fall, wenn es zu wiederholten Regelverstössen gekommen ist. Bevor Sie aber zu diesem Druckmittel greifen, verwarnen Sie die jugendliche Person im persönlichen Gespräch und lassen Sie sie dabei zu Worte kommen, sodass sie ihre eigene Sichtweise darstellen kann.

Andere in ihrer Veränderung unterstützen

Jugendliche sind sehr stark mit sich selbst beschäftigt, und ihre Wahrnehmungsfähigkeit in Bezug auf Prozesse, die in andern ablaufen, ist ziemlich gering. Zeigen Sie Jugendlichen, wie man mehr auf die Ressourcen statt auf die Defizite des Gegenübers eingeht. Denn das zu fördern, was bereits ansatzweise vorhanden ist, ist effektiver, als auf Fehlendem herzumzureiten. Förderndes und ressourcenorientiertes Feedback beschreibt deshalb vor allem das, was bereits positiv ist.

Natürlich kann man sich auch selbst in der eigenen Veränderung unterstützen und Selbstcoaching einüben. Das Einnehmen einer dritten Position fällt Jugendlichen aber noch schwer, solange sie ihre eigene Identität nicht klar gefunden haben. Selbstcoaching gelingt am ehesten über die Imagination eines weisen Freundes (es kann sich auch um eine verstorbene Person handeln), der um Rat gefragt wird.

Erziehen

Jugendliche können bereits Verantwortung und erzieherische Aufgaben bei Kindern übernehmen. Das Mitmachen in einer Jugendgruppe, wo die Grösseren die Betreuung der Kleineren übernehmen, ist die allerbeste Förderung der erzieherischen Kompetenz bei Jugendlichen.

Zeigen Sie Jugendlichen auf, wie wichtig Alltagsrituale sind. Wenn sie Kleinere betreuen, sollten sie insbesondere Rituale zum Trösten (Trostliedchen und -sprüche bei kleinen Verletzungen), Einschlafen (Gutenachtlied, Gutenachtgeschichte, Abendgebet oder Den-Tag-an-sich-vorbeiziehen-Lassen) und Verabschieden (Kreisspiel, Abschiedslied) kennen. Lassen Sie Jugendliche Kindern Geschichten erzählen und gemeinschaftliche emotionale Aktivitäten (am Feuer sitzen, singen, tanzen, spielen) durchführen.

Zeigen Sie den Jugendlichen auf, dass sie mit ihrem eigenen Suchtverhalten bereits Vorbild für Jüngere sind und Jüngere nicht zu Alkoholkonsum oder Rauchen verführen dürfen.

Führen

Wenn Jugendliche in Vereinen und Jugendgruppen Führungsaufgaben übernehmen können, ist das ein wichtiger Meilenstein in der Führungsausbildung. Die Grundlagen der Führung können hier hervorragend gelernt werden. Machen Sie Jugendliche mit verschiedenen Führungsstilen und Kontrollformen bekannt und lassen Sie danach am Arbeitsplatz oder im Verein nach entsprechenden Beispielen suchen. Fördern Sie den Austausch darüber, wie unterschiedliche Führungsstile und Kontrollformen erlebt werden.

Führen Sie Jugendliche in die Grundlagen der Laufbahnplanung ein. Lassen Sie sie überlegen, wie sie die Nachwuchsleute ihres Vereines oder ihrer Jugendgruppe für Weiterbildungen auswählen und motivieren können.

Anerkennendes Verhalten

  • Spontane Anerkennung für aussergewöhnliche Leistungen an Ort und Stelle zeigen (unmittelbare positive Rückmeldung).
  • Mit Lob vor „versammelter Mannschaft“ sensibel verfahren: Manche Personen stehen gern im Mittelpunkt, andere weniger.
  • Vermeiden, eine Person zu loben mit der Absicht, damit gleichzeitig andere herabzusetzen oder zu kritisieren (womit die Anerkennung ihr Ziel verfehlt).
  • Lob und Anerkennung möglichst mit konkreten Vorkommnissen verbinden (pauschales Loben ist nicht nachvollziehbar und kann sein Ziel verfehlen).

Gruppenkompetenz fördern

 Gruppendynamik verstehen

Jugendliche ziehen die Gleichaltrigengruppe (peer group) jeder anderen Gruppierung vor. Damit sie sich in diesen Gruppen nicht zu ihrem eigenen Schaden oder zum Schaden anderer leiten lassen, sollten sie möglichst viel über gruppendynamische Vorgänge wissen. Sie sollten die unterschiedlichen Rollen kennen und wissen, dass Neulinge sorgsam integriert werden müssen.

Machen Sie am Sprichwort „Mitgegangen – mitgefangen – mitgehangen“ deutlich, dass passives Mitmachen möglicherweise gefährlich ist. Jugendliche lassen sich häufig in der Gruppe zu Taten hinreissen, die sie alleine nie wagen würden.

Diskutieren Sie mit Jugendlichen die Dynamik, die in ihrer Clique abgeht. Weisen Sie immer wieder darauf hin, dass man nicht alles mitmachen muss und dass ein inneres Unbehagen ernster genommen werden muss als den Schein in der Gruppe zu wahren.

Zur Gruppe dazugehören

Respektieren Sie Regeln, die sich in Gleichaltrigengruppen herausgebildet haben. Es gehört mit zur Loyalität in der peer group,sich auf eine bestimmte Art zu kleiden oder zu begrüssen, gewisse Worte zu verwenden oder eine bestimmte Musik zu hören.

Thematisieren Sie bei Jugendlichen, wie Zugehörigkeitsgefühl mit gemeinsamen Handlungen und Ritualen zusammenhängen. Ob es sich um Rauchen, Alkoholtrinken, Musikmachen oder -hören, Tanzen, gemeinsames Umherziehen in der Stadt oder den Einsatz für einen guten Zweck handelt – immer ist dieses Herstellen von Harmonie und gemeinsamen Schwingungen ein Teil davon. Wer nirgends mitmacht, ist nirgends zugehörig.

Um den Zusammenhalt in der Familie zu fördern, braucht es gemeinsame Werte und Ziele. Je gleichberechtigter und selbstverantwortlicher die Jugendlichen am Familienleben mitgestalten dürfen, desto eher können sie die Familie als weiterhin wertvollen Rückzugspunkt für sich annehmen.

Eine gemeinsame Aufgabe bewältigen

Jugendliche arbeiten gerne in Gruppen zusammen. Gemeinsame Aktivitäten und Abenteuer sind wichtig. Lassen Sie sie zunehmend grössere Aktivitäten selbstständig planen.

Auch bei älteren Jugendlichen sollten vor Beginn einer grösseren selbständigen Unternehmung im Voraus die wesentlichen Punkte vorbesprochen werden und potenzielle Gefahren und Risiken angesprochen werden. Im Nachhinein sich die Erfahrungen erzählen zu lassen ist eine gute Gelegenheit, miteinander Freuden und Erkenntnisse zu teilen. Auch über die Erfahrungen mit den andern Gruppenmitgliedern sollten Jugendliche sprechen können – vermeiden Sie aber Verurteilungen und Bewertungen. Jugendliche merken schon selbst, auf wen sie sich auch in Zukunft verlassen wollen.

Gruppen leiten

Jugendliche sollen damit vertraut gemacht werden, dass die Erledigung eines Auftrages immer mit der Auftragsklärung beginnt. Bevor eine Aufgabe inhaltlich begonnen wird, muss zuerst genau geklärt werden, was, wann, mit wem, wo und wie gemacht werden soll. Die Leitung einer (Arbeits-)Gruppe beinhaltet Verantwortungsübernahme und Umsichtigkeit. Die Umweltbedingungen wollen ebenso einbezogen werden wie die Individualitäten der einzelnen Gruppenmitglieder.

Kritische Gruppensituationen meistern

Jugendliche befinden sich in der Moralentwicklung nach Kohlberg auf Stufe 3, selten auf Stufe 4. Auf Stufe 3 geht es noch darum, in der Gruppe anerkannt zu werden. Auf Stufe 4 werden Konfliktfälle sachlicher, neutraler betrachtet, massgeblich sind nun Grundwerte und gesellschaftliche Verpflichtungen. Die neue Sichtweise in Konflikten und das dazu passende Verhalten müssen gelernt und eingeübt werden.

Fragen Sie passive Jugendliche, was ihnen zur aktiven Mitarbeit in einer Gemeinschaft fehlt. Es könnte sein, dass Jugendliche Angst davor haben, sich vor den andern zu blamieren. Achten Sie deshalb besonders darauf, dass alle ihre Stärken und Fähigkeiten zum Ausdruck bringen können.

Thematisieren Sie Unterschiedlichkeiten. Zeigen Sie auf, dass jedes Individuum Stärken und Schwächen hat. Lassen Sie Angehörige von Minderheiten in der Gemeinschaft von ihrer Sichtweise und ihren Erlebnissen erzählen. Lassen Sie alle von der Verschiedenartigkeit profitieren, indem Sie Offenheit, Neugier und Toleranz vorleben. Gehen Sie tolerant mit fremdem, eigenwilligem und originellem Verhalten um.

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