Lernen und Lebensalter
Aktuelle Forschungen zeigen, dass sich das Gehirn länger entwickelt und verändert, als man bisher angenommen hat. Der präfrontale Kortex (Hirnrinde) reift langsam und dessen Entwicklung kommt erst im Erwachsenenalter zum Abschluss. Stimulierte, also immer wieder betroffene Bereiche entwickeln sich eher. Ausserdem zeigt die neuere Forschung im Bereich Lerntheorien und Lernphysiologie auch, wie unterschiedlich Menschen lernen. Demnach ist das Lebensalter ein wichtiger Faktor beim Lernen. Und zwar keineswegs gemäss dem Sprichwort „Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“; vielmehr hat jedes Alter seine eigenen Stärken beim Lernen.
Das Lernen verändert sich im Verlaufe des Lebens. Während das Kind unvoreingenommen und neugierig auf Unbekanntes zugeht, sind Erwachsene oft sehr vorbelastet und geprägt von negativen Lernerfahrungen. Jugendliche in der Pubertät (zwischen 13 und 16) sind nach den Erkenntnissen der Entwicklungspsychologen kaum schulbar. Sie sollten eigentlich gemäß ihrem Entwicklungsstand eher außerhalb einer schulischen Umgebung in Projektwochen, auf Abenteuerreisen, im Kontakt mit der Erwachsenenwelt gebildet werden. Wenn sie dann in die Berufsausbildung oder in die Mittelstufe des Gymnasiums kommen, haben sie oft den totalen Schulverleider und wollen so schnell wie möglich raus aus dieser für sie einengenden Welt. Aber zum Glück für uns Lehrpersonen verbessert sich die Lernleistung wieder, und 16-Jährige sind zunehmend bereit, ihr eigenes Lernen zu organisieren und Verantwortung zu übernehmen.
Lernen von Jugendlichen
Lernen von andern
- Abgrenzung (gegenüber Erwachsenen und Gleichaltrigen)
- Interesse an Medien und sozialer Interaktion (social media)
Im Zentrum: Anerkennung, Dazugehören, Ausgrenzung und Herabsetzung, Profilierung, Beeinflussbarkeit
Kognitive Leistung
- Verarbeitungsgeschwindigkeit nimmt zu
- Freude am Knobeln und Rätseln
Fähigkeit zur Vernetzung und zur Entschlüsselung komplexer Situation steigt (braucht viel Übung)
Emotionale Leistung
Bei Jugendlichen ist der Einfluss des Frontallappens im Gehirn, der für die Hemmung und Steuerung von Gefühlen zuständig ist, im Umbau begriffen. Deshalb reagieren Jugendliche oft impulsiv, ohne die Konsequenzen ihres Handelns richtig zu durchdenken. Auch nimmt bei pubertierenden Jugendlichen die Fähigkeit ab, Emotionen bei andern zu erkennen. Die Entwicklung des Frontallappens ist erst nach dem 20. Lebensjahr abgeschlossen, und erst voll entwickelte Gehirne erkennen Stimmungen und Gefühle aus Mimik und Gestik vollständig. Das bedeutet, dass Jugendliche egozentrisch und gefühllos handeln können, weil sie vorübergehend kaum Empathie aufbringen können. Die Fähigkeit zur Empathie verbessert sich im Verlaufe der Zeit wieder, sobald die Gehirnentwicklung einen gewissen Reifezustand erreicht hat. Dies heisst aber auch, dass Empathie und Einfühlung trainiert werden müssen, damit sich die entsprechenden Gehirnstrukturen entwickeln.
Auch haben Jugendliche noch wenig Erfahrungen mit Identitäten und wissen wenig vom Werdegang grosser Persönlichkeiten. Sie fangen erst an, sich dafür zu interessieren, wie aus einem Menschen im Verlaufe seiner Biografie ein einmaliges Individuum entsteht. Das Verständnis für Schwächen anderer ist wenig ausgebildet, und Jugendliche sind fest davon überzeugt, es einmal besser zu machen als diese unvollkommenen Vorbilder, die wir Erwachsenen für sie sind.
Fazit
Jugendliche nerven sich über das, was ihnen Ältere aus Erfahrung beibringen wollen. Sie wollen selber Erfahrungen machen und sich eine eigene Meinung bilden. Gleichzeitig sind Jugendliche aber auch sehr beeinflussbar und abhängig vom Feedback von aussen. Die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu verstehen und Fakten in ihrer Bedeutung zu erkennen, steigt, muss aber trainiert werden. Jugendliche sind jetzt bereit für Reflexion und Meta-Kommunikation, wenn sie das mit Gleichaltrigen und akzeptierten Vorbildern machen können.
Es scheint, dass insbesondere die für die Verarbeitung von Emotionen zuständigen Bereiche des Gehirns im Jugendalter noch stark in Veränderung sind. Es könnte also ein vielversprechender Weg sein, Jugendliche immer wieder mit emotionalen Themen zu konfrontieren und ihnen Gelegenheit zu geben, diesbezüglich zu üben. Sie sind sehr stark mit ihrer eigenen Entwicklung beschäftigt und interessieren sich deshalb vor allem für das, was mit ihnen selbst zu tun hat. Das stark ausgeprägte Gerechtigkeitsempfinden macht sie auch gegen Missstände und Ungerechtigkeiten, die andere betreffen, empfänglich.
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