«Soziale Kompetenzen fallen nicht vom Himmel, sondern jedes Kind hat von klein auf auch diesbezüglich eine Entwicklungsgeschichte.» Diese werde zwar wesentlich von aufmerksamen und liebevollen Eltern geprägt, also von dem, was man gemeinhin Erziehung nennt. Aber ebenso auch vom frühen und regelmässigen Kontakt mit anderen Kindern. Diese böten ein unglaubliches Übungsfeld, in dem die Kinder lernen, wie man streitet, wie man hilft. So lernen die Kleinen im Alltag, sich in einem sozialen Umfeld einzubringen und darin Verantwortung zu übernehmen.»

Heidi Simoni vom Marie Meierhofer Institut in Zürich im Interview mit dem Tagesanzeiger am 19.9.2015

 

In die Rolle der erziehenden Person rutschen Erwach­sene als Eltern häufig unvorbereitet, obwohl Erziehung äusserst anspruchsvoll ist und so ziemlich alle Kompetenzen, die zu den Soft Skills zählen, dabei nützlich sind. Erziehen ist eine Frage der gesamten Persönlichkeit.

Erziehung bedeutet, Verantwortung zu übernehmen dafür, dass ein Kind sich so entwickeln kann, dass es ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft werden kann. 

Erzogen werden Unmündige, für die Verantwortung übernommen werden muss. Das Wesen der Erziehung ist es, dass – wo immer möglich – die Verantwortung nur da, und genau da, übernommen wird, wo das Kind dazu selbst noch nicht in der Lage ist. Dies gilt übrigens auch für Erwachsene, die nicht vollständig mündig sind (geistige oder psychi­sche Behinderung) und einer speziellen sonderpädagogischen Betreuung bedürfen, auf die hier nicht weiter eingegangen wird.

Zur Erziehung gehören psychische, seelische und körperliche Aspekte. Anlagen und Möglichkeiten sollten so gefördert werden, dass das Kind seine eigenen Grenzen und die der Umwelt respektieren lernt und ein selbstverantwortliches Leben führen kann. Gleichzeitig bildet das Erziehungsver­halten der Erwachsenen für das Kind einen wesentlichen Bestandteil als Vorbild für den Umgang mit andern und das spätere eigene Erziehungsverhalten.

Geborgenheit geben

Jeder Mensch braucht Geborgenheit, das Aufgehobensein in einer Gemeinschaft. Die Bedürfnisse nach Zuwendung und Konstanz sind seelische Bedürfnisse, ohne deren Befrie­digung die Entwicklung grundsätzlich in Frage gestellt ist. Ein Kind fühlt sich dann geborgen, wenn es Regelmässigkeit und Konstanz erlebt. Rituale und Rhythmen sind für Kleinkinder deshalb enorm wichtig. Versprechen sollten eingehalten werden, Verbindlichkeit führt zu Geborgenheit.

Gesundheit fördern

Die Befriedigung der physiologischen Bedürfnisse nach Nahrung, Schlaf und Bewegung ist elementar. Körperlich speziell entwickelte Kinder (Grösse, Gewicht, Missbildun­gen) haben ein Anrecht auf speziell angepasste Bedürfnisbefriedigung. Jedes Kind hat andere Bedürfnisse, es gibt hier keine genauen Regeln. Stark bewegungsaktive Kinder und Kinder mit extrem wenig Schlafbedürfnis fordern Eltern sehr heraus - und genau sie brauchen einen achtsamen Umgang mit ihren Eigenheiten.

Entfaltung fördern

Es gehört zum Menschsein, dass man ein Bedürfnis nach Leistung und Verstehen hat. Ein Kind ist gierig nach kognitiven, sinnlichen und sozialen Erlebnissen. Das Kind geniesst deshalb vielfältige Anregung durch unterschiedliche Personen, unterschiedliche Materialien, unterschiedliche Situationen und kulturelle Aktivitäten. Sein immenser Wissensdrang und seine Neugier, sein Wunsch nach Erlebnissen, wollen befriedigt werden.

Grenzen setzen

Der Mensch ist ein soziales Wesen. Das Hineinwachsen in eine Gemeinschaft, in die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ebenso wie in persönliche Beziehungen sind elementar. Hier stösst das Ego des Kindes an Grenzen. Aber auch seine individuellen Möglichkeiten setzen ihm Grenzen - je nach Typ wird es sich eher leichter oder schwerer sozial integrieren.

Das Respektieren von Grenzen aller Art ist in jedem Alter ein wichtiges Thema. Beim Kleinkind sind diese Grenzen noch in der Wohnung "nein, das darfst du nicht haben", beim Schulkind geht es mehr um "nein, du darfst jetzt nicht mehr raus" oder "jetzt ist genug Computer". Bei Jugendlichen sind u.a. Ausgang und Kleider Themen, an denen der Umgang mit Grenzen geübt wird. Je nachvoll­ziehbarer diese Grenzen sind, desto eher wird das Kind bei Übertretungen bereit sein, die Konsequenzen zu tragen.

Ins Leben entlassen

Erziehung soll sich schliesslich überflüssig machen. Spätestens mit Erreichen des Mündig­keitsalters sind erzieherische Aktionen fehl am Platz. Aber bereits vorher durchläuft das Kind viele Ablösungsphasen, in denen es bereit wird, Verantwortung für Teilbereiche zu übernehmen – wenn sie ihm überlassen wird und es sich nicht überfordert fühlt. Beispiele von familiären Notlagen zeigen immer wieder, wie früh Kinder Verantwortung übernehmen können.

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